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Fahren unter Cannabiseinfluß
17.07.2017 17:02 (1098 x gelesen)

Unter Cannabiseinfluss ungeeignet zum Kfz-Führen

Wer gelegentlich Cannabis einnimmt und mindestens einmal ein Kfz unter Cannabiseinfluss geführt hat, ist in der Regel ohne Weiteres, insbesondere ohne vorherige medizinisch-psychologische Untersuchung auf sein Trennungsvermögen, als ungeeignet zum Führen von Kfz anzusehen.
OVG Niedersachsen, Beschl. v. 7.4.2017, 12 ME 49/17

Aus den Gründen:



I.Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller dagegen, dass es das VG abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, die er gegen den Bescheid der Antragsgegnerin erhoben hat. Durch diesen Bescheid wurde ihm unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L entzogen.

Das VG hat u. a. folgende tatsächlichen Feststellungen getroffen: Der Antragsteller sei als Führer eines Pkw im Juli 2016 polizeilich kontrolliert worden. Der anschließende Bluttest habe eine THC-Konzentration von 4,0 ng/ml und einen THC-COOH-Wert von 33,0 ng/ml ergeben. Die Antragsgegnerin habe daraufhin die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens hinsichtlich der Fahreignung angeordnet. Der Antragsteller habe gegenüber der Gutachterin angegeben, im Juli 2016 zwei- bis dreimal Cannabis konsumiert zu haben, zuletzt am Kontrolltag. Die Gutachterin sei in der zusammenfassenden Beurteilung von einem gelegentlichen Cannabiskonsum des Antragstellers ausgegangen. Am Tag der Untersuchung seien jedoch keine Hinweise auf einen aktuellen Konsum vorhanden gewesen. Nach ihrer Einschätzung habe aber jedenfalls bis zum Kontrolltag ein Konsum von Cannabis Vorgelegen, welcher die Fahreignung infrage stellen könne.

Sodann hat das VG die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes versagt.

Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller demgegenüber geltend, eine unzureichende Trennung von Cannabiskonsum und Fahren sei bei ihm nicht gegeben. Die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund des erst- und einmaligen Vorfalls vom 16. Juli 2016 sei unverhältnismäßig. Er habe ein Gutachten erstellen lassen, das zu der Feststellung gelangt sei, dass ihm kein fahrerlaubnisrechtlich relevantes Konsummuster anzulasten sei. Seit dem Vorfall bis in die Gegenwart habe er Cannabis nicht mehr konsumiert. Zu prüfen sei, ob bereits bei einer einzelnen Fahrt unter Cannabiseinfluss nach § 11 Abs. 7 FeV i. V. m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV von einer Ungeeignetheit ausgegangen werden könne oder entsprechend dem Vorgehen bei einem Verdacht auf Alkoholmissbrauch zunächst im Ermessenswege nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens anzuordnen sei (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 29.8.2016, 11 CS 16.1460, ZfS 2016, 595 ff., hier zitiert nach juris). Er sei bereit, sich medizinisch-psychologisch untersuchen zu lassen und sich regelmäßigen Blut- und Urinuntersuchungen zu unterziehen. Bei einem dauerhaften Wegfall seiner Fahrerlaubnis drohe ihm der Verlust seines Arbeitsplatzes als Auslieferungsfahrer bei einem Pizzabringdienst.

II. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des VG hat keinen Erfolg.

Entgegen der von dem Antragsteller angeführten und mit Beschl. v. 3.1.2017, 11 CS 16.2401 bekräftigten Auffassung des Bayerischen VGH hält der Senat in Übereinstimmung mit der Judikatur des VGH Baden-Württemberg (Beschl. v. 7.3.2017, 10 S 328/17) an seiner bisherigen Rspr. fest (vgl. etwa Beschl. v. 6.3.2017, 12 ME 251/16), wonach Personen, die gelegentlich Cannabis einnehmen und zwischen dessen Konsum und dem Fahren von Kfz nicht trennen, nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV in der Regel ohne Weiteres, insbesondere ohne vorherige medizinisch-psychologische Untersuchung auf ihr Trennungsvermögen, als ungeeignet zum Führen von Kfz anzusehen sind, selbst wenn nur eine einzelne Fahrt unter Cannabiseinfluss feststeht. Mit dem BVerwG (Urt. v. 23.10.2014, BVerwG 3 C 3.13, NJW 2015, 2439 ff.) ist nämlich davon auszugehen, dass eine ausreichende Trennung, die eine gelegentliche Einnahme von Cannabis im Hinblick auf die Verkehrssicherheit noch als hinnehmbar erscheinen lässt, nur dann vorliegt, wenn der Betroffene Konsum und Fahren in jedem Fall in einer Weise trennt, dass durch eine vorangegangene Einnahme von Cannabis eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften unter keinen Umständen eintreten kann. Die von dem VGH Bayern erwogene Parallelisierung des Vorgehens in den Fällen einer einzelnen Fahrt unter Cannabiseinfluss bei gelegentlichem Cannabiskonsum mit dem Vorgehen in den Fällen des Verdachts eines fahrerlaubnisrechtlichen Alkoholmissbrauchs ist nicht angezeigt. Das ergibt sich u. a. bereits aus der unterschiedlichen Formulierung der Nichteignungstatbestände der Nm. 8.1 und 9.2.2 der Anlage 4 zu den §§ 11,13 und 14 FeV. Denn während es zur Verneinung eines fahrerlaubnisrechtlichen Alkoholmissbrauchs genügt, dass das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum „hinreichend sicher“ getrennt werden können, erfordert die Fahreignung bei gelegentlichem Cannabiskonsum die „Trennung von Konsum und Fahren“ schlechthin. Dafür, dass eine Ungleichbehandlung der beiden die Fahreignung beeinträchtigenden Substanzen Alkohol und Cannabis trotz unterschiedlicher Wirkungsweise nicht gerechtfertigt wäre, sind der von dem Antragsteller in Bezug genommenen Entscheidung des VGH Bayern keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte zu entnehmen. Auch überzeugt nicht das dort angeführte Hauptargument, wonach für § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV keinerlei Anwendungsbereich bliebe, wenn bereits der erstmalige Verstoß gegen das Trennungsgebot bei gelegentlichem Cannabiskonsum zur sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis führte. Denn auch unter dieser Prämisse hat die letztgenannte Vorschrift An-wendungsfälle. Zu denken ist etwa an Konstellationen, in denen außer einer Zuwiderhandlung gegen § 24a (Abs. 2) StVG unter Cannabiseinfluss, die so weit zurückliegt, dass Zweifel daran bestehen, ob eine Ungeeignetheit zum Führen von Kfz aus ihr noch herzuleiten ist, eine weitere Zuwiderhandlung gegen § 24a (Abs. 1) StVG unter Alkoholeinfluss begangen wurde (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 29.7.2009, 18 B 895/09, DAR 2009, 598 f. und OVG Berlin-Bbg., Beschl. v. 21.3.2012, OVG 1 S 18.12, BAK 49, 177 ff. [2012]).

Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist nicht entscheidend, dass laut dem fachärztlichen Gutachten zum Zeitpunkt der ärztlichen Untersuchung keine Hinweise auf einen aktuellen Cannabiskonsum gefunden worden sind. Denn das allein belegt noch nicht die hinreichende Stabilität einer - etwaigen - Verhaltensänderung des Antragstellers in dem Zeitraum zwischen der Fahrt unter Cannabiseinfluss am Kontrolltag im Juli 2016 und dem hier für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Fahrerlaubnisentziehung im Dezember 2016.

Auch unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit der Aus-wirkungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung auf die Berufsausübung des Antragstellers ist vorläufiger Rechtsschutz nicht zu gewähren. Denn angesichts der Gefahren für die Teilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr, die von einem Kraftfahrer ausgehen, der sich - wie der Antragsteller - als ungeeignet zum Führen von Kfz erwiesen haben dürfte, müssen solche privaten Belange des Einzelnen zurückstehen.


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