In den Biergarten fährt man traditionell mit dem Fahrrad, denn dann kann man auch ein Gläschen trinken. Doch häufig überschätzen Radler anschließend ihr Fahrvermögen und unterschätzen wiederum die Menge an Alkohol, die sie getrunken haben. Wie sicher fährt man unter Alkoholeinfluss noch Fahrrad – und ab welcher Menge wird der Zustand gefährlich?
Diese Fragen hat sich auch Katja Luchmann von der Universität Mainz gestellt und fünf Studenten unter wissenschaftlicher Aufsicht getestet. "Es gab einfach noch nicht genug Studien zu diesem Thema. Und die Studien, auf die sich die Festlegung der aktuellen Promillegrenze stützt, stammen noch aus den 80ern."
Während Autofahrer nämlich schon ab 0,5 Promille Alkohol im Blut eine Ordnungswidrigkeit begehen, darf sich ein Fahrradfahrer mit bis zu 1,6 Promille ganz legal im Straßenverkehr bewegen und bleibt straffrei, wenn er kontrolliert wird.
Jana Höß ist eine der Probandinnen in dem wissenschaftlichen Test. Sie sagt selbst, dass sie kaum eine Vorstellung hat, wann man 1,6 Promille erreicht hat. Laut Berechnungen müsste dieser Wert bei ihr nach spätestens sechs Gläsern Wein erreicht sein. Der Test erfolgte jedoch in Abstufungen von 0,5 Promille, 1,0 Promille und bei 1,5 Promille – knapp unter dem Grenzwert. Der zu bewältigende Fahrrad-Parcours bestand für die Studenten aus den Stationen: Reaktionsfähigkeit, Rundkurs bewältigen und Kurvenfahren. Das Ergebnis: Mit 0,5 Promille leisteten sich alle fünf Probanden – hoch konzentriert – so gut wie keine Fahrfehler. "Rein subjektiv würde ich sagen, dass bei 0,5 eigentlich kaum Fahrauffälligkeiten bestehen", so Testleiterin Katja Luchmann.
Radfahrer an 25 Prozent alkoholbedingter Unfälle beteiligt
Ähnliche Studien hat auch Siegfried Brockmann im Auftrag der Unfallforschung der Versicherer durchgeführt, um den Alkoholgrenzwert von 1,6 Promille auf den Prüfstand zu stellen. Im Vergleich zu anderen Verkehrsteilnehmern ist bei Radfahrunfällen deutlich häufiger Alkohol im Spiel: An rund einem Viertel aller alkoholbedingten Unfälle sind Radfahrer beteiligt. Laut Brockmann sind die meisten weit vor dem erlaubten Wert nicht mehr in der Lage, zu fahren: "Ab 1,1 Promille geht das wirklich deutlich in den Keller. Deswegen wäre das ein sehr guter Wert, den wir als Analgie zu den 0,5 Promille beim Auto einführen könnten. 1,1 Promille als Ordnungswidrigkeit, alles darüber: Punkte in Flensburg und ein Bußgeld."
stern TV hat einen Abend eine Polizei-Streife in der Fahrrad- und Studentenstadt Münster begleitet: Ob merkwürdige Fahrweise, fehlendes Licht oder falsche Straßenseite – wer auffiel, wurde kontrolliert und musste "ins Röhrchen pusten". Doch nur wenige Radfahrer kennen die geltende Alkoholgrenze für Radler. Ein besonders auffälliger Fahrradfahrer wies mit 0,72 Milligramm Alkohol pro Liter Blut umgerechnet etwa 1,5 Promille auf. Auf die Polizisten wirkte er volltrunken – und hatte dennoch nichts zu befürchten. Die einzige Handhabe der Beamten bleibt ein Radfahrverbot für den Abend.
Der wissenschaftliche Test der Universität Mainz brachte ähnliche Eindrü, sagt Proband Philipp Fällgren. Einer der Studenten verlor in einer harmlosen Kurve das Gleichgewicht – und stürzte: "Bisschen schwer zu koordinieren", so sein Kommentar. Abgesehen von einem Schreck konnte ihm in der Testsituation zum Glück nichts passieren.
Ganz anders im Münsteraner Straßenverkehr, wo stern TV die Nachtstreife begleitet hat. Hauptkommissar Ralf Kambach hielt unter anderem eine Radfahrerin an, die Schlangenlinien fuhr. Beim Absteigen konnte sie sich nicht halten und stürzte, machte einen vollkommen orientierunglosen Eindruck. Der Alkoholtest ergab anders als erwartet: Die Frau hatte umgerechnet nur etwa 0,2 Promille. Ihr reichte dieser Wert für eine klare Fahruntüchtigkeit. Weiterhin erlaubt sind im Straßenverkehr 1,6 Promille...