Trunkenheitsfahrt und MPU
Von Dieter Roßkopf
Wir befassen uns heute mit zwei gleichgelagerten Fällen. In beiden war der Führerin beziehungsweise dem Führer eines Kraftfahrzeugs durch das Strafgericht die Fahrerlaubnis entzogen worden, weil sie unter Alkoholeinfluss ein Kraftfahrzeug gefahren hatten. Die Blutalkoholkonzentration der Fahrerin lag bei 1,28 Promille, diejenige des Mannes bei 1,13 Promille. Für beide war es das erste Mal, dass sie wegen einer Trunkenheitsfahrt verurteilt wurden.
In beiden Fällen hatte das Strafgericht die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist verhängt, innerhalb derer es der Verwaltungsbehörde untersagt war, eine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die beiden Betroffenen hatten dann bei der für sie jeweils zuständigen Verwaltungsbehörde die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis beantragt. Die Verwaltungsbehörden verlangten, dass durch die Betroffenen eine medizinisch-psychologische Untersuchung erfolgreich abgelegt werden müsse, bevor die Wiedererteilung erfolge. Beide klagten vor dem Verwaltungsgericht auf Erteilung der Fahrerlaubnis ohne vorherige medizinisch-psychologische Untersuchung, blieben mit ihren Klagen vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg. Die Betroffenen legten gegen diese Urteile jeweils Rechtsmittel ein. so dass die Fälle schließlich beim Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung Vorlagen.
Das Urteil
BVerwG Urteil vom 06.04.2017-3 C 24.15u.3C 13.16 Beide Klagen sind erfolgreich. Das Bundesverwaltungsgericht hat die vorinstanzlichen Urteile abgeändert und die beklagten Verwaltungsbehörden verpflichtet, den Klägern die beantragten Fahrerlaubnisse auch ohne die Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens neu zu erteilen. Das Gericht betont, der Auffassung, die Fahrerlaubnis könne nach jeder strafgerichtlichen Entziehung wegen einer Trunkenheitsfahrt nur nach Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens neu erteilt werden, könne nicht gefolgt werden. Eine einmalige Trunkenheitsfahrt rechtfertige vielmehr ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Tatsachen erst ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Allein die strafgerichtliche Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen Trunkenheitsfahrt sei kein eigenständiger von der in der Fahrerlaubnisverordnung genannten 1,6 Promille-Grenze unabhängiger Sachgrund für die Anforderung eines Gutachtens. Solche Gutachten könnten deshalb auch nicht routinemäßig in allen Fällen einer Trunkenheitsfahrt verlangt werden.
Der Kommentar
Dieses Urteil des Bundesverwaltungsgerichts war überfällig. Nachdem zunächst der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Januar 2014 zur allgemeinen Überraschung die bisherige an der Fahrerlaubnisverordnung orientierte Praxis zur Wiedererteilung von Fahrerlaubnissen nach Trunkenheitsfahrten dahingehend geändert hatte, dass auch bei Ersttätern, die eine Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille erreicht hatten, das MPU-Erfordernis erhoben wurde, hatten sich in der Folgezeit immer mehr andere regionale Verwaltungsgerichte dieser Argumentation angeschlossen. Man interpretierte, auch das Fahren mit weniger als 1,6 Promille als „Alkoholmissbrauch“, indem man darauf hinwies, nach der „Legaldefinition“ liege Alkoholmissbrauch vor, wenn Fahren und Trinken nicht getrennt werden könnten. Dass diese Argumentation der Verwaltungsgerichte nicht stichhaltig war, wurde von Kritikern dieser Entscheidungen immer wieder betont. Es wurde daraufhingewiesen, dass derjenige, der im Einzelfall Alkoholkonsum und Fahren tatsächlich nicht getrennt hat, noch lange nicht bewiesen habe, dass er nicht trennen könne, wie es die Fahrerlaubnisverordnung verlangt. Außerdem wurde daraufhingewiesen, dass die Verwaltungsgerichte nicht anstelle der eindeutigen medizinischen Definition des Begriffs „Alkoholmissbrauch“ eine eigene anderslautende Definition setzen könnten. Der lauten und fortgesetzten Kritik an diesen Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht nun Rechnung getragen. Damit werden diejenigen, die in solchen Fällen zukünftig die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis beantragen, nicht weiter mit überzogenen Anforderungen konfrontiert. Für diejenigen, die sich bisher solchen Anforderungen beugen mussten, bleibt zumindest ein bitterer Nachgeschmack. Sie hatten erhebliche zusätzliche Kosten zu tragen und mussten sich zu Unrecht gegen den Verdacht des Alkoholmissbrauchs wehren.
Quelle: Heilbronner Stimme 22.04.2017